Text & Fotos: Nadine Mousa
Dolmetscherin: Alia Azzouqa

Ismael Al-Qabbani

Ismeal verkauft das Megaphon seit 2016/17 vor dem Lidl in Feldbach.

An meiner Arbeit mag ich …
die Selbstständigkeit und Freiheit. Ich kaufe jeden Monat 30 Hefte, um sie dann unter die Leute zu bringen. Aber ich mache noch viel mehr: Ich putze die Einkaufswagen, räume sie anständig weg. Die freiwillige Extra-Arbeit macht mir Spaß, ich bin gerne hilfsbereit. Ich habe das Gefühl, dass meine Kund:innen auch mir helfen, weil sie merken, dass ich nicht mehr der Jüngste bin. Sie respektieren mich – das macht mich sehr glücklich.

Der Unterschied zwischen dem Irak und Österreich …
ist wie der zwischen der Erde und dem Himmel – unbeschreiblich groß. Ich komme aus Bagdad, der Hauptstadt des Iraks. Mit ca. 6,7 Millionen Einwohner:innen ist sie eine der größten Städte des Nahen Ostens. Mein Leben dort war geprägt von Angst. Angst vor Terrorismus, vor Mord, vor der Instabilität. Als Taxifahrer war ich gut beschäftigt und habe fleißig gearbeitet, aber mit 60 Jahren konnte ich nicht länger in diesem Land der Feindschaft leben. Also habe ich mein Taxi verkauft und mit dem Geld meine Reise nach Österreich finanziert. Von der Türkei über das Meer nach Griechenland, weiter nach Ungarn und schließlich nach Österreich. Der Unterschied zum Irak ist so groß: Hier hat der Mensch einen Wert, sogar Tiere haben Rechte – das ist wunderschön, das habe ich so nicht gekannt.

Meine Heimat ist …
kaputt. Der Irak ist kein freies Land. Er ist nicht offiziell besetzt, wird aber vom Iran regiert. Darüber sind die Iraker:innen sehr verärgert, denn es sind überall Milizen, die Anschläge verüben und willkürlich Menschen töten. Viele Stadtteile liegen in Trümmern, die Zerstörung ist enorm. Es gibt keine Schulen mehr, was eine Katastrophe ist. Die Generation, die gerade aufwächst, hat keine Bildung. Sie handelt wie vor 2000 Jahren. Die Universitäten sind alle kostenpflichtig. Nur wer reich ist, kann eine akademische Laufbahn einschlagen. Der Iran hat auch alle Wissenschaftler:innen und damit das ganze technische Know-how aus unserem Land entfernt – also gibt es im Irak keinen Fortschritt mehr. Wenn ich alles erzählen würde, was im Irak falsch läuft, wären zwei Tage nicht ausreichend.

Ich erinnere mich …
nicht gerne an den Irak zurück, auch wenn ich viele Jahrzehnte dort verbracht habe. Was mir als Erstes zum Irak einfällt, ist der Reisepass und wie wenig er wert ist. Für Österreicher:innen ist ihr Pass die Eintrittskarte in viele verschiedene Länder, mit dem irakischen Pass kommt man nirgends hin. Er ist wertlos. Wenn ich lange überlege, erinnere ich mich doch an einen Ort im Irak, an den ich früher gerne gegangen bin. Rund um das asch-Schahid-Monument, auch bekannt als „Gedenkstätte der Märtyrer“, gibt es einen Park mit Bäumen und Blumen. Als 30-Jähriger bin ich dort gerne spazieren gegangen. Aber das ist auch alles, was am Irak schön ist – ich finde Österreich viel besser. Sicherheit geht über alles.

Ich bin stolz darauf, …
das Megaphon zu verkaufen. Auch dass ich der einzige Verkäufer bin, der aus dem Irak kommt, finde ich klasse. Gerade deshalb möchte ich meinen Job besonders gut machen. Schließlich will ich einen guten Eindruck hinterlassen. Für die Zukunft wünsche ich mir, hier in Österreich bleiben und alt werden zu können. Ich habe keinen Aufenthaltstitel, aber die Caritas unterstützt mich dabei, einen zu bekommen. Davon hängt alles ab. Ich bin mittlerweile 68 Jahre alt, wieder zurück in den Irak zu gehen ist keine Option. Gesund zu bleiben ist für mich das Allerwichtigste, deshalb achte ich sehr auf meinen Körper – mit genug Bewegung werde ich hoffentlich noch viel älter. Den Frieden hier möchte ich noch lange Zeit genießen!