Text: Nadine Mousa
Fotos: Gideon Eder

Andrew Augustin

Andrew verkauft das Megaphon seit 2019. Sein Standplatz ist beim Spar in der
Ziehrerstraße in Graz.

Graz ist für mich …
mittlerweile ein Stück Heimat. Ich komme aus Nigeria, habe aber vor dem Krieg und
der Zerstörung dort fliehen
müssen, seit 2000 lebe ich in
Österreich. Mein Herz ist aber
in Kärnten. Dort leben meine
zwei Kinder bei ihrer Mutter.
Meine Tochter wird am 30.
August 19 Jahre alt, sie macht
eine Ausbildung und hat gerade ihren Führerschein bekommen. Das macht mich unheimlich stolz. Auch mein Sohn ist
mir unheimlich wichtig, er ist
13 Jahre alt und besucht die
Schule. Ich telefoniere gerne
mit ihnen. Auch wenn ich und
meine Frau geschieden sind, so
versuche ich doch, den Kontakt zu halten, denn Familie ist
alles. Ich fahre immer wieder
mit dem Bus nach Kärnten, um
meine Familie zu besuchen,
das ist jedes Mal ein Highlight. Sie werden einfach viel zu
schnell groß!

Beim Megaphon bin ich …
seit 2019. Ich bin glücklich
darüber, diesen Job zu haben.
Das Arbeiten an der frischen Luft macht mir nichts
aus, auch die sommerlichen
Temperaturen sind für mich
kein Problem. Ich habe als
Hilfsarbeiter auf Baustellen
gearbeitet, das ist viel anstrengender – deshalb schätze
ich die ruhige Arbeit des Verkaufens. Morgens hüpfe ich
auf mein Fahrrad und radle
zu meinem Verkaufsplatz. In
Nigeria hat es zum Teil knapp
50 Grad in der Sonne, im
Vergleich dazu fühlt sich der
Sommer hier erfrischend an.
Ich liebe die Wärme. Wenn
ich mit dem Verkaufen fertig
bin, fahre ich nach Hause
zum Griesplatz. Regelmäßig
schaue ich bei einer Dame am
Lendplatz vorbei, die aufgrund
ihrer Behinderung Hilfe beim
Einkaufen und Aufräumen ihrer Wohnung benötigt. Als ich
ihr vor zwei Jahren während
eines Spaziergangs begegnet
bin, habe ich ihr geholfen,
in ihrem Rollstuhl über die
Straße zu kommen. Daraufhin
hat sie mich auf einen Kaffee
eingeladen. Seitdem erledige
ich einige Sachen für sie und
unterhalte mich mit ihr – das
ist mein Beitrag zu einer besseren Gesellschaft.

Kraft gibt mir …

zu wissen, dass immer alles
gut wird. Ich versuche jeden
Menschen so zu nehmen, wie
er ist – ohne Vorurteile, ohne
Erwartungen. Jede Person hat
ihren eigenen Charakter, ihre
eigene Art, mit Dingen und
der Welt umzugehen. Und
das ist gut so. Wenn wir alle
lernen würden, Menschen so
zu akzeptieren, wie sie sind,
dann wäre die Erde vermutlich ein besserer Ort. Es bringt
einfach nichts, sich gegenseitig
zu bekämpfen. Gemeinsam
können wir so viel erreichen.
Das merke ich vor allem am
ersten Sonntag im Monat: An
diesem Tag treffen sich viele
Menschen aus Nigeria, die in
Graz leben, um sich auszutauschen, über Probleme zu
sprechen und dann in der
Gruppe Lösungen zu finden.
Auch was die Preissteigerungen betrifft, wir merken alle,
dass Lebensmittel, Mieten
usw. immer teurer werden.
Das macht mir große Sorgen.
Aber mein Motto: Nimm alles
so, wie es kommt!

Was ich mir für die Zukunft

wünsche …
das ist ein fester Job mit
regelmäßigem Einkommen.
In Nigeria habe ich „chemical
engineering“ (deutsch: Chemieingenieurwesen) studiert
und auch als Autolackierer
gearbeitet. Hier in Österreich
wird mir meine Ausbildung
nicht anerkannt. Ich würde
gerne bei einer Firma arbeiten,
zum Beispiel im Magna Steyr-
Werk – das wäre ein Traum!
Mit Autos kenne ich mich gut
aus. In einer Werkstätte helfe
ich manchmal alte Autos zu
zerlegen und die Einzelteile zu
verpacken, die dann weiterverarbeitet werden. Meine Woche
ist dadurch zwar sehr voll,
aber ich nehme jede Chance
wahr, mir ein bisschen Geld
dazuzuverdienen.

Zum Schluss …
möchte ich meiner Tochter
zum Geburtstag ein paar
Worte über das Megaphon
ausrichten: Liebe Emily, ich
wünsche dir zu deinem Geburtstag alles Liebe und das
ganze Glück dieser Welt. Ich
denke an dich und freue mich
darauf, deinen Geburtstag
schon bald mit dir zu feiern!