Text: Julia Reiter

Freibad für alle? Von wegen.

Lautsprecherin (5)

Es ist kurz nach Mittag. Während der Ventilator auf Hochtouren läuft, verliert mein Benjamin Ficus drei weitere Blätter. Zu lange schon sind die Rollos – existentielle Schutzschicht zwischen uns und dem glühenden Beton der Annenstraße – nach unten gelassen. Von tropischen Nächten ist die Rede, während eine Hitzewarnung die andere jagt. Schwimmbäder mag ich eigentlich nicht. Erinnern mich irgendwie an Fitnessstudios, nur lauter und mit Chlor. Doch Graz hat keine Seen und derzeit 35 Grad. Schweißtriefend schlepp‘ ich mich zum nächstgelegenen Bad. „Ganz egal, ob sie sprunggewaltig oder nur erholungsbedürftig sind: im Auster Freibad kommen alle Wasserratten voll auf ihre Kosten!“ –Ja und wie! „Sieben Euro macht das bitte“, höre ich die Kassierin sagen. Ob es auch eine Stundenkarte für rasche Abkühlung gäbe? –Leider nein. Die Kassierin reicht mir eine Tageskarte, die streng genommen gar keine ist. Abends ein zweites Mal vorbeizuschauen, sei nicht möglich. Ist mensch draußen, verliert das Ticket seine Gültigkeit. Während ich meine Zickzack-Bahnen durch die Menschentrauben ziehe, kühlt mein Ärger etwas ab. Und immerhin: Die Auster ist ein top Bad, wurde kürzlich renoviert, hat einiges zu bieten. Das hat wohl seinen Preis.

Ein paar Tage später treibt mich meine Suche nach einer günstigeren Alternative ans andere Ende der Stadt. Augartenbad, etwas bescheidender. Bereits vom Fahrradweg aus, erhasche ich einen Blick auf den völlig überfüllten Rasen – oder was davon eben noch zu sehen ist. „Sieben Euro macht das bitte“, höre ich die Kassierin sagen. Déjà-vu? – Leider nein. Ein Blick auf die Website der Holding klärt mich auf. Egal ob du auf den freizügigen 11.000 m2 des Straßganger Bads oder wie die Sardinen im „Margler“ liegst, du kommst stets auf deine Kosten von sieben Euro. Neben meinem unbefriedigten Bedürfnis nach Abkühlung, wird mir ein weiterer Mangel bewusst: Wer kein Auto für eine Spritztour zum Grünen See und keinen Garten mit Pool hat, der:die hat vielleicht auch nicht genug im Geldbörserl um sich (plus Familie) regelmäßig Zugang zu den Grazer Freibädern zu verschaffen… (Nur so eine Vermutung.)

„Aber dafür gibt’s ja eh die Ermäßigung für SozialCard-Besitzer:innen!“, muss sich nun die Holding denken. Fair enough. „Nur“ noch fünf Euro kostet der Eintritt mit der Karte vom Sozialamt. Klingt supereasy? Ist es aber nicht. Die Sozialcard ist mit Aufwand verbunden, welcher für manche bürokratiebegabten Menschen einfach zu bewerkstelligen ist, für andere aber eine solche Barriere darstellt, dass sie lieber ganz auf die Vorzüge verzichten. Asylwerber:innen haben zudem gar keinen Anspruch auf die SozialCard. Mir ist bewusst, dass es herausfordernd sein muss, zu Zeiten wo eine Maßnahmennovelle die nächste ablöst und Planbarkeit zu einem Relikt der Vergangenheit wird, Schwimmbäder zu betreiben. Ich nehme die positiven Bemühungen der Holding wahr, durch das Einführen der ermäßigten Abendkarte (5,50€) im Juli, finanzielle Erleichterung zu schaffen. Und dennoch: Wahnsinnig sozial durchdacht erscheint mir die Tarifgestaltung von Auster, Magerl und Co. nicht. Schon schade. Abkühlung bei gesundheitsgefährdenden Temperaturenist wichtig. Wer nach Kindberg, Niklasdorf oder Neumarkt fährt, bekommt diese um zwei Euro. Für viele Grazer:innen bleibt sie Privileg.

M E G A P H O N –
L A U T S P R E C H E R : I N
An dieser Stelle nutzen Menschen
die Plattform Megaphon, um laut und
deutlich zu sprechen – über Themen,
die im öffentlichen Diskurs zu kurz
kommen. Diesmal: Julia Reiter,
Megaphon-Redakteurin.