TEXT: SIGRUN KARRE
FOTO: THEATER IM BAHNHOF

Warum Zaid halt den Iraker spielt

Im Februar war der Schauspieler Zaid Alsalame am Megaphon-Cover. Weil seine erste eigene Solo-Performance in deutscher Sprache Premiere feierte. Sigrun Karre hat sich das Stück für uns angeschaut.

Die Balance von Leichtfüßigkeit, Humor und Tiefgang zu finden, ist ein Grenzgang, der Risikobereitschaft voraussetzt. Aus diesem Grund war ich neugierig, wie Zaid Alsalame, der 2015 vom Irak nach Österreich gekommen war, das Wagnis angehen würde, seine Fluchtgeschichte mit Schmäh auf die Bühne zu bringen, zudem als Solo-Performance und in deutscher Sprache. Abdullahi, ein junger Geflüchteter aus Somalia, der auch Teil des Megaphon-Fußballprojekts FC Stammplatz ist, begleitete mich zur Premiere am 20. Februar im TiB. Und dann kam Zaid auf die Bühne. „Dann spiele ich halt den Iraker“, sagt er. Und schickte uns 50 Minuten lang durch ein Wechselbad der Gefühle. „Ich bin sehr stolz auf meine Rolle als Flüchtling. Psychologisch gesehen eine sehr interessante Rolle. Das Casting war sehr schwer, aber ich hatte Vorteile, weil ich Araber bin …“

Ein großer Teil der Lacher an diesem Abend blieb mir im Hals stecken. Abdullahi, der selbst eine leidvolle Fluchtgeschichte hat, ging es ähnlich. Während der Szene, in der Zaid die repressive Stimmung im Irak vermittelte, war ich mir nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, ihn mitzunehmen, seine Betroffenheit war ihm anzusehen. „Es ist genauso wie in Somalia. Du kannst nicht auf die Straße gehen. Immer wirst du gefragt: ‚Wo gehst du hin?’ Du bist nicht frei“, erzählt er mir nach der Vorstellung. Für mich war nach diesem Abend klar, Zaid ist nicht ein Geflüchteter, der seine Fluchterfahrung mit Theaterspielen verarbeitet, sondern er ist ein ausdrucksstarker Performer und Schauspieler, der es schafft, seine eigene Fluchtgeschichte, seine Haltung als Aktivist, zum Ausgangspunkt für seine kreative Arbeit zu machen und eine Tiefe zu erzeugen, die vermutlich nur aus dem persönlichen Erleben entstehen kann. Auch dank der Regie von Viola Novak ist das geglückt.

Zaid wollte mit der Performance im Anschluss an die drei Vorstellungen im TiB auf Tour durch Österreich gehen, in Zeiten von Corona sind solche Pläne auf Eis gelegt. Zaid übernimmt derzeit ehrenamtlich Besorgungen für Menschen, die zur Covid-19-Risikogruppe gehören. Er hat auf Facebook für den Hilfsfonds für Megaphon-Verkäufer_innen gespendet. An die große Glocke hängen will er das nicht, wir müssen ihn überzeugen, darüber zu posten. „Das ist bitte selbstverständlich“, sagt er nur. Weder ihn noch Abdullahi aus Somalia scheint die Krise aus dem Gleichgewicht zu bringen, für sie ist der Ausnahmezustand Normalzustand. Dennoch vermisst der passionierte Kaffeehausbesucher Zaid, Menschen zu treffen, zu umarmen, Feste zu feiern. Mensch könnte es als Ironie des Schicksals interpretieren, dass er, der jahrelang für Freiheit gekämpft hat, endlich angekommen in einem demokratischen Land, nun in gewisser Weise eine Art Déjà-vu erlebt.

Ein kleiner Vorgeschmack. Passend zur aktuellen Zeit: „Corona frisst den Käse“