Sicherheit
im Inneren

Diessemal: Yussuf Abubakar
Aufgezeichnet von Anna Maria Steiner
Foto: Thomas Raggam
Megaphon 1/2019

„Hier kannst du nachts schlafen und brauchst keine Angst zu haben.“ Das waren meine ersten Gedanken, als ich vor fünf Jahren nach Österreich gekommen bin. Zur Welt gekommen bin ich in Nigeria, und ich liebte meine Heimat! Aber die Politiker dort brachten mich dazu, mein Land nicht mehr zu mögen. Denn die regierende Elite kümmert sich nicht um die Menschen, für die sie verantwortlich ist, und fördert nur die eigene Familie. Ihren Kinder und Verwandten ermöglichen sie Bildung auf höchstem Niveau in Städten wie London, und auf alle anderen wird dabei vergessen. So ein Verhalten ist mir zuwider. Warum herrscht keine Chancengleichheit in meinem Land – nicht einmal für Kinder? Auch ich konnte nur die Grundschulausbildung abschließen, für die Sekundarstufe hatten meine Eltern kein Geld. Ich musste die Schule vorzeitig abbrechen.

Die politischen Entscheidungsträger aber werden reicher und reicher, und die ohnehin schon armen Bevölkerungsschichten ärmer und ärmer. Wenn du gerissen bist, kannst du für dich selbst viel erreichen, doch wenn nicht, hast du Probleme. Für die gesellschaftliche Entwicklung ist das alles andere als gut. Heute ist Nigeria ein Land voller Gefahren und Gewalt. Es herrscht so etwas wie ein verdeckter Krieg. Selbst wenn du so viel Geld hast, um einen hohen Eisenzaun rund um dein Haus zu errichten, musst du Angst haben. Das war kein Leben, wie ich es mir vorstellte.

Auch mir sind schlimme Dinge widerfahren. Hätte ich Nigeria nicht verlassen – womöglich wäre ich heute tot. Denn im 190-Millionen-Menschen-Land Nigeria kann es passieren, dass du erschossen wirst – einfach so.

Seit die Situation in meiner Heimat so schlimm geworden ist, habe ich begonnen, nach einer Lösung für mich zu suchen und nach einem Ort, an dem eine Zukunft für mich möglich werden konnte.Schon in Nigeria wusste ich: „Eines Tages will ich meine eigene Familie haben, und das geht nur, wenn ich in Sicherheit leben kann.“ Ich überlegte also, meine Heimat zu verlassen – zu meiner eigenen Sicherheit und für die Sicherheit der Familie, die ich mir erträumte. Ich wollte etwas aus meinem Leben machen, ohne Angst leben und Perspektiven haben. Im Jahr 2009 schien der Zeitpunkt dafür gekommen. So machte ich mich auf nach Griechenland. Vier Jahre habe ich dort gelebt, aber vieles, was ich mir für mein Leben erträumte, hätte ich dort nicht erreichen können. In Griechenland würde es schwierig werden, ein Kind großzuziehen, das war mir klar. Also begann ich darüber nachzudenken, mich erneut auf den Weg zu machen und dorthin zu gehen, wo ich mehr Klarheit finden würde – mehr Sicherheit und sozialen Frieden. Vier Jahre, nachdem ich meine Heimat Nigeria verlassen hatte, bin ich erneut aufgebrochen und kam nach Österreich.
Mein Bruder und meine Schwester sind in meinem Geburtsland geblieben, und nicht immer kann ich sie erreichen. Besonders wenn wir nicht miteinander telefonieren können, ist es schwer für mich. Aber dann denke ich daran, dass es gut ist, dass ich nach Österreich gekommen bin. Anfangs war es nicht leicht für mich, ich hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Heute gehe ich den Weg der Geradlinigkeit, kenne die Regeln, zahle meine Steuern. Ich liebe Österreich – dieses Land ist für mich ein Segen, und es ist eine Freude, hier sein zu können. Wann immer ich die Chance bekomme, setze ich mich dafür ein, dieses Land, in dem ich so etwas wie inneren Frieden erlangt habe, noch besser zu machen. Die äußere Sicherheit und der soziale Friede hier geben mir innere Kraft und verschaffen mir Klarheit für mein Leben. Das vermittelt Sicherheit, und wer die verspürt, hat schon viel erreicht. Denn nicht alles im Leben dreht sich ums Geld.

Heiraten, eine Familie gründen, in Frieden leben: Vieles, was ich mir für mein Leben erträumt habe, habe ich bereits erreicht. Meine Frau und ich sind Eltern einer einjährigen Tochter. Wenn wir sie ansehen – wie unbeschwert sie ist und wie sie lacht –, sind wir so glücklich, und ich denke mir: Das ist Österreich. Hier kann man gut leben, hier hat man nichts zu befürchten.