Text: Claudio Niggenkemper
Fotos: Nadine Mousa

Taiwo Ojumo

Taiwo arbeitet derzeit als Monteur beim Automobilwerk Magna Steyr in Liebenau. Das Megaphon verkaufte er zuletzt 2021.

Debütant und Profi

Pünktlich zum ersten echten Frühsommertag bei knapp 30 Grad im Schatten treffe ich mich mit Taiwo im Volksgarten. Für mein Interviewdebüt hatte ich das Glück, gleich auf einen Menschen zu treffen, der mir mit seiner geballten Erfahrung das Lampenfieber nehmen konnte. Denn Taiwo liebt das Rampenlicht. Egal ob Interviews oder Aufführungen – all das meistert er problemlos. „Das ist einfach meine Begabung.“ Und so erwartet mich Taiwo herausgeputzt in Hemd mitsamt Einstecktuch und Anzughose trotz eines langen Arbeitstags voller Vorfreude an seinem Lieblingsplatz im Volksgarten: den Tischtennisplatten unweit vom Mühlgang.

Ein bekanntes Gesicht?

Als ehemaliger Verkäufer:innensprecher und Coverheld der Juli-Ausgabe 2018 ist Taiwo sicherlich einigen Leser:innen bereits bekannt. Seitdem hat sich allerdings einiges getan: Nachdem ihn die Pandemie und der folgende Stellenabbau zwischenzeitlich zurück zum Megaphon brachte, arbeitet Taiwo indes Vollzeit beim hiesigen Automobilwerk in Liebenau. „Die Arbeit ist schwierig und stressig, aber es ist alles so teuer geworden. Es passt schon.“ Die Preissteigerungen im Einzelhandel und der Energieversorgung bereiten auch Taiwo und seiner Familie große Sorgen. Sie sind zurzeit auf jeden Cent angewiesen, weshalb die Arbeit trotz langer und anstrengender Schichten bitter nötig ist. Eine langfristige Perspektive bietet die Arbeit am Fließband dem gelernten Buchhalter aber nicht. „Ich bin kein Kind mehr, mit fast 50 brauche ich bald einen anderen Job.“ Auf die Frage, was er stattdessen in Zukunft machen möchte, antwortet Taiwo selbstbewusst: „Staplerfahrer“ – den Führerschein hat er schonmal.

Straffer Zeitplan 

Sobald Taiwo die Arbeit beendet hat, warten andere Aufgaben auf ihn. „Ich helfe den Kindern gemeinsam mit meiner Frau bei den Schulaufgaben. Ich kann Mathe gut, da kann ich helfen. Deutsch lerne ich wiederum von meinen Kindern, sie sind so viel schneller als ich“. Und auch das Wochenende ist stets durchgeplant: Samstag ist Probetag im Kirchenchor. Derzeit spielt Taiwo die Gitarre, bei Bedarf scheut er sich aber nicht, den Chor auch mit seiner Gesangsstimme zu unterstützen. Ein echtes Multitalent. Am Sonntag findet dann der Gottesdienst samt Aufführung statt. Mit dabei seine Familie. Sobald sich doch etwas Freizeit auftut, geht Taiwo seinen zahlreichen Hobbys nach. Er erzählt mir von seiner Band „Oddudua“, die er bereits vor sieben Jahren mit Freunden gegründet hat. „Wegen der Arbeit ist es eine große Herausforderung. Aber wir proben, wann immer es möglich ist“. Und auch die Pandemie hat es nicht leichter gemacht: „Ich vermisse viele Freunde, viele habe ich lange nicht gesehen.“ Im Juli steht das erste Konzert seit langem an und Taiwo ist die Freude sichtlich ins Gesicht geschrieben. Seine zahlreichen Instrumente sind sicher in den eigenen vier Wänden verstaut. „Die Originale sind sehr wertvoll.“ Ein Stück nigerianische Heimat hat er damit immer um sich.

Sonnenschein und Radler

Taiwo lebt mit seiner Frau und den vier Kindern in einer Zwei-Zimmerwohnung. Die Lage ist gut, der Preis stimmt und die Nachbar:innen sind freundlich. „Wir sind wie eine große Familie, darüber bin ich sehr froh!“ Und trotzdem: „Die Wohnsituation ist ein bisschen katastrophal.“ Privatsphäre oder Ruhe? Fehlanzeige! Und auch seine Kinder fordern vehement ein eigenes Zimmer. Für die Zukunft wünscht sich Taiwo eine größere Wohnung mit kleinem Balkon. „Das gibt einem ein neues Freiheitsgefühl“. Sein Lieblingsgetränk im Sommer, ein gekühlter Radler, auf dem Balkon genießen – das wäre doch was! Ich hoffe, wir treffen uns dann das nächste Mal dort.