Was mich glücklich macht
Diesmal: Oscar Omokaro
Aufgezeichnet von Anna Maria Steiner
Foto: Arno Friebes
Megaphon 3/2019
Eine Sache, die mich glücklich macht? Fußball – von Kindesbeinen an. Nigeria, wo ich geboren bin, habe ich als Kind Fußball gespielt. Das macht mich glücklich, seit ich denken kann. Gut, mit meinen 41 Jahren bin ich heute dafür freilich schon recht alt, aber noch vor wenigen Jahren habe ich mit meiner Mannschaft beim Homeless-Worldcup in Wien den zweiten Platz belegt – als Tormann unseres Teams. In Afrika angefangen habe ich als Mittelfeldspieler, aber als ich 17 war, musste ich bei einem Match für unseren Torwart einspringen. Dem wurde die Rote Karte gezeigt und er musste vom Platz. Weil ich groß und kräftig war, hat man mich ins Tor gestellt. Dort habe ich einige Bälle gehalten und schlussendlich hat meine Mannschaft sogar das Spiel gewonnen. Bis heute bin ich Torwart geblieben und habe mich dabei immer wohl gefühlt. „Der Elferschütze ist viel nervöser als du selbst“, habe ich mir immer oft selbst gesagt und mich dadurch nie vor einem Elfmeter gefürchtet.
Vom Fußballspielen leben konnte ich in Nigeria aber nicht. Mein Geld verdient habe ich als Stapler-Fahrer, und das möchte ich eines Tages auch wieder in Österreich so machen. Seit acht Jahren verkaufe ich das Megaphon vor einer Hofer-Filiale hier in Graz. Ich liebe diese Stadt und bin sehr glücklich hier. Die Grazerinnen und Grazer sind sehr freundlich. Klar – es gibt Unterschiede in der Mentalität von Menschen in Afrika und jenen in Europa, aber das liegt meiner Meinung nach nicht an den Personen selbst. Es ist die jeweilige politische Führung eines Landes, die auf die Bewohnerinnen und Bewohner wirkt. Warum Afrikanerinnen und Afrikaner nach Europa gehen, ist in den meisten Fällen schnell erklärt: In Ländern wie Nigeria kümmert sich die politische Elite kaum um das, was die Bevölkerung braucht. In Europa hingegen wollen Politikerinnen und Politiker, dass man ein gutes Leben hat. Sie sind glücklich, wenn es allen im Land gut geht. Das ist meiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen den beiden Kontinenten und zugleich auch der Grund dafür, warum Menschen aus Afrika nach Europa kommen.
Was mir als Erstes aufgefallen ist, als ich nach Österreich gekommen bin? Die großen Temperatur-Unterschiede. Hier habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Schnee gesehen. Ich selbst friere zwar immer noch, aber zu sehen, welche Freude Kinder mit dem Neuschnee haben, macht, dass auch ich den Winter mag. Ich erinnere mich auch noch genau an meine erste Winterjacke – gekauft am Flohmarkt in Puntigam von einem guten Freund, den ich „Bruder“ nenne. Das kommt einigen womöglich komisch vor, weil er ein Freund ist und nicht mein leiblicher Bruder. Aber „Bruder“, „Schwester“, „Oma“ oder „Opa“ ist für mich auch, wer mir das Gefühl gibt des Willkommen-Seins. 95 Prozent aller Menschen, denen ich das Megaphon verkaufe, geben mir ein solches
Gefühl – das Gefühl, hier eine Familie zu haben. Vor kurzem erzählte mir die Mutter eines kleinen Buben, dass ihr Sohn im Kindergarten gefragt worden war, wer denn sein bester Freund sei. „Oscar beim Hofer!“, lautete die Antwort. Geschichten wie diese machen mich glücklich. Und das ist überhaupt das Wichtigste: glücklich zu sein. Natürlich habe ich manchmal Sorgen und Probleme, so wie alle anderen Menschen auch. Aber dagegen hilft meist ein einfaches Rezept: Dinge zu tun, die einen glücklich machen – in meinem Fall, ein Fußballspiel im Fernsehen anzuschauen. Eine Grazerin hat zu mir einmal gesagt: „Wer traurig ist, braucht nur zur Hofer-Filiale hinzugehen, vor der Oscar das Megaphon verkauft. Dann ist alles wieder gut.“ Und tatsächlich kann ich sagen: „Ich bin wirklich ein glücklicher Mensch.“