April 2024

Megaphon #337

Auch wir setzen Grenzen.

Seit bald 30 Jahren stehen wir beim Megaphon für das Miteinander. Und dafür, das Einende vor das Trennende zu stellen. Unsere Existenz­berechtigung als Mitabeiter:innen der sozialen Initiative ergibt sich aus der Unterstützung jener Hunderten von Menschen, die in diesen Jahrzehnten unser Magazin an euch Leser:innen verkauft haben. Einige brauchen uns nur für kurze Zeit in ihrem Prozess des Ankommens in ihrer neuen Heimat, für andere sind wir über Jahre hinweg Grundlage für finanzielle Absicherung.

Manche unserer aktuell 270 Verkäufer:innen sind daher kürzer sichtbar, andere länger. Einige sind an einem entlegenen Ort der Steiermark nur wenigen Menschen bekannt, andere haben aufgrund eines Standorts an besonders beliebten Orten der Stadt Graz aber gar das Potential, zu einem der Gesichter unserer Straßenzeitung zu werden. Wenn sie plötzlich verschwinden, fehlen sie nicht nur unserer kleinen Gemeinschaft, sondern auch dem Straßenbild der steirischen Landeshauptstadt. Einem dieser Menschen, der seit Jahren das Megaphon verkauft hat und bei vielen Käufer:innen beliebt war, mussten wir die Verkaufslizenz entziehen. Das heißt: Wir verkaufen ihm keine Magazine mehr zur Hälfte des Megaphon-Verkaufspreises von 3,40 Euro.

Wir trafen diese Entscheidung nicht in einer Emotion, sondern wohlüberlegt. Wir trafen sie nicht aufgrund eines jüngsten Vorfalls, sondern aufgrund einer Vielzahl von immer denselben Vorwürfen, die uns zu Augen und Ohren gekommen waren. Wir trafen die Entscheidung nicht, ohne mit der Person immer wieder in Kontakt zu treten und uns sowie die Verfehlungen zu erklären und Hilfe anzubieten.

Wir haben mit diesem Schritt eine Grenze gesetzt, die im Gegensatz zu unseren Grundsätzen das Trennende über das Einende stellt. Wir haben mit dieser Entscheidung einer Person eine Chance genommen, um viele Menschen mehr zu schützen. Die übrigen 269 Verkäufer:innen unserer Straßenzeitung, uns als Initiative und Existenzberechtigung unserer Klient:innen und nicht zuletzt euch, unsere Käufer:innen. Und letztlich schützen wir somit vor allem auch die Person, die sehr lange das Megaphon verkauft hat. Denn es steht fest, dass die Beschäftigung als Straßenzeitungsverkäufer im öffentlichen Raum für ihn selbst eine Gefährdung für sein gutes Leben in Österreich darstellt.

Peter K. Wagner, Chefredakteur

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3780:7221751,48 – 2.189.577,62 (Kleine Zeitung, Ausgabe vom 25.02.2024) 80